Thurgauer Naturstrom unterstützt Projekt von Pro Natura Thurgau

Philip Taxböck ist bei Pro Natura Thurgau Projektleiter für ein Renaturierungsprojekt bei Amriswil. In einem Gespräch stellt er das Projekt vor. Thurgauer Naturstrom unterstützt das Projekt mit 25 Franken pro Bestellung.

Philip Taxböck

Das Projekt Geissbach-Hegibach südlich von Amriswil ist ziemlich gross. Wer hat den Anstoss gegeben, und gab es Hindernisse, die überwunden werden mussten?

Philip Taxböck: Den Anstoss gab ein Landbesitzer, der in Amriswil aufgewachsen ist und den Boden von seiner Grossmutter geerbt hat. Er bat Pro Natura Thurgau um Hilfe, wie dieses landwirtschaftliche Land aufgewertet werden könnte. Es ist vielleicht nicht allen Leserinnen und Lesern bekannt, darum erwähne ich hier auch, dass Pro Natura Land aus Erbschaften übernimmt oder nach Möglichkeit auch kauft und diese Flächen dann quasi der Natur zurückzugeben versucht. Zu Beginn solcher Projekte ist es oft eine Herausforderung, alle, die mitreden, mit ins Boot zu holen. Also Gemeinde, Kanton, Anstösser…, um genau abzuklären, wer welche Kosten trägt. Wenn das geklärt ist, kann die eigentliche Projektarbeit beginnen. Bis zur Umsetzung können schnell zwei, drei Jahre vergehen.

Geissbach
Hier verlässt der Geissbach den Wald und verschwindet in einem Betonrohr. Das Betonrohr unterquert die Kantonsstrasse Richtung St. Gallen und mündet 100 Meter später im Hegibach. (Foto Philip Taxböck)
Philip Taxböck auf Brücke
Der Bachverlauf des Hegibachs wird neu verlegt. Der Hegibach und der Geissbach erhalten wieder ein ursprüngliches Mündungsgebiet. Das kleine Stauwehr wird durch eine neue Fischtreppe umgangen.

Das Projekt ist ein Rückbau. Was müssen wir uns vorstellen, wenn wir uns zum Beispiel eine Situation gegen Ende des Frühmittelalters um das Jahr 1000 vorstellen wollen?

Ich habe keine Karten, welche die konkrete Situation aus jener Zeit abbilden würden. Aber ich stelle mir vor, dass wir mit dem Projekt in Bezug auf die Bachverläufe wieder nahe an den Zustand von damals herankommen. Vermutlich war aber die Landschaft darum herum eher bewaldet und nicht so offen und strukturreich wie heute.

Vor drei, vier Generationen hat man ein kleines Stauwehr gebaut und den Geissbach unterirdisch in einer Röhre unter der Kantonsstrasse und einer Wiese in den Hegibach abgeleitet. Welches waren mögliche Leitgedanken?

Ich kenne die Geschichte nicht genau, aber unter der Brücke ist ein Stauwehr, das zu Beginn der Industrialisierung in Amriswil zur Energiegewinnung gebaut wurde. Beim Hegibach weiter abwärts kommen dann die Hellmüliweiher. Ob diese zur Energiegewinnung für die Amriswiler Textilindustrie oder schon früher für eine Sägerei oder eine Mühle angelegt wurden, weiss ich nicht.

Die Mündung des Geissbaches in den Hegibach erfolgt heute in einer Röhre.

Korrekt. Das passierte erst irgendwann um die 1950er-Jahre. Man wollte mehr landwirtschaftliches Land gewinnen.

Warum denken wir heute so diametral anders als noch drei, vier Generationen zuvor? Wir schätzen naturbelassene Flächen und wissen, wie hoch bedeutsam sie für die ökologische Vielfalt sind.

Sooo diametral ist das nicht, wenn wir die ganze Globalisierung und den Raubbau an der Natur weltweit betrachten. Aber die Umwelt konservierenden Kräfte sind in den letzten beiden Generationen stärker geworden und auch in Gesetzgebung und Politik geflossen.

Zudem hat man gemerkt, dass ein kanalisierter Bach gar nicht so toll vor Hochwassern schützt. Das Problem Hochwasser wird oft einfach an das Dorf bachabwärts weitergegeben. Bester Schutz ist, nicht so nah am Wasser zu bauen und die Gewässer in möglichst natürliche Zustände zurückzubringen. Das aber braucht Platz, der heute oft fehlt. Überflutungszonen brauchen Flächen, die ihren Preis haben. Aber Wasserschutzbauten, die alle paar Generationen ersetzt werden müssen, sind ökologisch betrachtet ohne Wert und meist sündhaft teuer.

Projektplan Geissbach
Der Planausschnitt zeigt das Rückbauprojekt aus Sicht des Wasserbauingenieurs. Sichtbar sind der neue Bachverlauf und die Feuchtzonen. Die gelb gestrichelte Linie ist das Betonrohr, durch welches heute der Geissbach in den Hegibach fliesst.

Der Natur wird eine Fläche von circa 40 mal 120 Metern zurückgegeben. Zwischendurch verläuft eine Kantonsstrasse Richtung St. Gallen. Wenn die Natur die Fläche wieder hat, wie wird sie sie zu nutzen beginnen? Welche Veränderungen erwartest du bis in 5 und bis in 15 Jahren?

Pflanzen und Tiere werden den Lebensraum schnell besiedeln. Schon 2022, 2023 wird man kaum mehr sehen, dass es hier 2020 komplett anders aussah. Und in 15 Jahren wird sich eine stabile, deutlich vielfältigere Struktur mit verschiedenen Sträucherarten, wechselfeuchten Flächen und artenreichen Wiesenflächen eingestellt haben.

Wir von Pro Natura müssen anfangs allerdings dafür sorgen, dass nicht einfach die Neophyten den Raum erobern. Wir werden das Gebiet beobachten und bei Bedarf schonend eingreifen.

Welches sind denn die Lebensmöglichkeiten bei Flora und Fauna, wenn landwirtschaftliches Grasland zu grosszügigen flachen Uferzonen von kleinen Bachläufen umgewandelt wird? Mit welchen quantitativen Veränderungen rechnest du pro 100 mal 100 Metern?

Wenn aus einer intensiv genutzten Wiese ein extensiv genutzter natürlicher Uferbereich wird, verändert sich erst mal eine ganze Menge. Da wachsen andere Pflanzen, Pionierarten und Sträucher. Es wird nicht mehr gedüngt. Zu den jetzt geschätzten 5 Pflanzenarten auf der Wiese werden sich geschätzte 20 bis 25 zusätzlich etablieren.

Sicher wird sich hierdurch auch die Artenvielfalt der Insekten steigern. Vermutlich werden Plattbauch und Federlibelle den Weg hierher finden, Laufkäfer und Köcherfliegen. Für die Vogelwelt sind das Nahrungsangebot und die renaturierte Landschaft interessant. Wir rechnen damit, dass mehr Brutpaare Erfolg haben werden. Welche Vogelarten es sein werden, ist schwer zu sagen. Aber zum Beispiel die Bachstelze, welche bisher dort nicht zu sehen war, könnte dort wieder heimisch werden.

Und natürlich werden Amphibien den Lebensraum finden. Erdkröte, Bergmolch und Grasfrosch. Vielleicht auch Unken. Und die kleinen Säugetiere können viel leichter und sicherer zwischen dem Gehölz am Hegibach unter der Hauptstrasse hindurch zu den Lebensräumen am Geissbach wechseln.

Auch die Fische werden profitieren. Sicher lässt sich sagen, dass der Lebensraum für Groppe, Schmerle und Bachforelle massiv erweitert wird durch die Vernetzung zum Hegibach-Oberlauf und den Geissbach an sich.

Das Projekt Geissbach-Hegibach ist für ortsübliche Verhältnisse gross. Wie lange werden die Tiefbau- und Pflanzarbeiten dauern? Was kostet das Projekt insgesamt?

Die Wasserbauarbeiten sollen Ende September, die Strassenbauarbeiten Ende Oktober 2020 abgeschlossen werden. Wann die letzten Pflanzungen gemacht werden, ist noch offen. Die Kostenschätzung beläuft sich auf über eine halbe Million Franken.

Thurgauer Naturstrom unterstützt das Projekt mit einem Betrag von 10’000 Franken. Wenn jetzt jemand zu Thurgauer Naturstrom wechselt – dieser stammt bekanntlich ausschliesslich aus C02-freier und regenerativer Thurgauer Produktion –, erhält Pro Natura Thurgau pro Bestellung 25 Franken. Wofür wird das Geld investiert?

Das fliesst direkt in die Rechnung für die Renaturierung des Hegibach-Geissbachs und gibt uns dadurch wieder freie Mittel, um weitere Renaturierungen im Kanton anstossen.

Warum ist ökologische Diversität im und über dem Boden für das Überleben der Menschen so wichtig?

Dass Arten aussterben und neue entstehen, ist natürlich. Aber die ökologische Situation von Fauna und Flora hat sich zugespitzt: Bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten könnten innerhalb der nächsten Jahrzehnte durch den Einfluss des Menschen an den Rand der Ausrottung gedrängt werden. Für die Menschheit ist dieses Artensterben genauso voller grosser Unsicherheiten wie der Klimawandel.

Forscher sagen, dass die Geschwindigkeit des Artensterbens bereits heute hunderte Male höher ist als im Schnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre. Die Natur ist robust, aber wenn Experten aus 50 Ländern und aufgrund von 15’000 Studien und Berichten zum Schluss kommen, dass wir mitten im sechsten globalen Artensterben sind, dann sollten wir das nicht verdrängen, sondern handeln.

Und genau das tun wir im Projekt Hegibach-Geissbach. Hier geben wir der Natur eine kleine Fläche zurück. Die Natur wird sie besiedeln und zu einem sehr wertvollen Stück Land machen. Dass wir das tun, ist wirklich notwendig und es fühlt sich spürbar gut an. Wir sind über den Beitrag von Thurgauer Naturstrom sehr dankbar.

Vielen Dank für das Gespräch und den Einsatz in unserem Lebensraum.

Ich habe zu danken. Und nochmals vielen Dank für den Unterstützungsbeitrag von Thurgauer Naturstrom.

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Fragen und Antworten zu Thurgauer Naturstrom und Herkunftsnachweisen (HKN)

Warum soll ich Thurgauer Naturstrom beziehen?

Wer Thurgauer Naturstrom verbraucht, fördert damit ganz direkt die umweltverträgliche und nachhaltige Stromerzeugung im Thurgau. Eine intakte Natur ist die Lebensgrundlage nachfolgender Generationen. Wir sind überzeugt: Hierfür lohnt sich der minimale Aufpreis pro Kilowattstunde.

Worin unterscheidet sich Thurgauer Naturstrom von herkömmlichem Strom?

Physikalisch betrachtet ist es unmöglich, die Herkunft von Strom zu unterscheiden. Mit Ihrem «Ja» zum Thurgauer Naturstrom sorgen Sie aber ganz direkt dafür, dass die umweltverträgliche und nachhaltige Stromerzeugung im Thurgau unterstützt und damit ausgeweitet wird.

Was ist ein Herkunftsnachweis (HKN)?

Der Herkunftsnachweis belegt die Produktionsart (Qualität) sowie die Herkunft des Stroms. Für jede erzeugte Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Quellen wird entsprechend ein Herkunftsnachweis ausgestellt.  Der HKN ist von dem physischen Stromfluss entkoppelt.

Abnahme von Herkunftsnachweisen

Betreiber einer Photovoltaikanlage mit Standort im Thurgau haben die Möglichkeit, ihre Herkunftsnachweise an die EKT Energie AG für Thurgauer Naturstrom zu verkaufen, sofern ihr lokaler Energieversorger diese nicht abnimmt.

Dafür müssen Sie Ihre PV-Anlage bei der Pronovo AG registrieren und für die HKN-Produktion freischalten lassen. Für die Registrierung Ihrer Anlage bei der Pronovo AG wenden Sie sich bitte direkt an Ihren lokalen Energieversorger.

Senden Sie nach erfolgreicher Freigabe der Anlage durch die Pronovo AG Ihren Antrag mit einer Kopie des Formulars «Beglaubigung einer Photovoltaikanlage» an info@thurgauer-naturstrom.ch.

Nach erfolgter Prüfung unterbreitet Ihnen die EKT Energie AG ein Angebot für die HKN-Übernahme.

Kündigung Thurgauer Naturstrom

Die Kündigung von Thurgauer Naturstrom kann entweder direkt beim lokalen Energieversorger veranlasst werden, oder per E-Mail an info@thurgauer-naturstrom.ch. Die Kündigungsmodalitäten sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ihres Energieversorgers geregelt. Eine Bestätigung ihrer Kündigung erhalten Sie direkt von Ihrem Energieversorger.

Stromrechnung

Bei Fragen zu Ihrer Stromrechnung wenden Sie sich bitte direkt an Ihren Energieversorger. Thurgauer Naturstrom bzw. die EKT Energie AG hat keinen Zugriff auf Ihre Stromrechnung.

Stromtarife

Bei Fragen zum Stromtarif oder zum Stromrückliefertarif wenden Sie sich bitte direkt an Ihren Energieversorger.

Kontakt

Thurgauer Naturstrom
Postfach, 9320 Arbon
Telefon 071 440 66 30
info@thurgauer-naturstrom.ch

    Sie erhalten eine Kopie der Mitteilung an die angegebene E-Mail-Adresse.

    Bestimmungen Thurgauer Naturstrom

    Administrative Abwicklung

    Im Auftrag der teilnehmenden Thurgauer Energieversorger kümmert sich die EKT Energie AG um die administrative Abwicklung (Beschaffung / Energiebuchhaltung) von Thurgauer Naturstrom. Die EKT Energie AG garantiert, dass das von Ihnen gewählte Naturstromprodukt in der entsprechenden Menge und Qualität beschafft und geliefert werden kann.

    Vertragspartner

    Die Verrechnung für Thurgauer Naturstrom erfolgt durch Ihren lokalen Energieversorger. Thurgauer Naturstrom wird als Stromprodukt auf Ihrer Stromrechnung ausgewiesen. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ihres Energieversorgers.

    Lieferbeginn

    Die Belieferung mit Thurgauer Naturstrom beginnt zum nächstmöglichen Zeitpunkt ab Bestelleingang. Dies erfolgt in Abhängigkeit des Abrechnungszyklus Ihres Energieversorgers.

    Vertragsdauer und Kündigung

    Das Vertragsverhältnis ist zeitlich unbeschränkt. Die Kündigungsmodalitäten sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ihres Energieversorgers geregelt.

    Herkunft und Lieferfähigkeit

    Thurgauer Naturstrom ist ein begrenzt verfügbares Produkt. Sollte die bestellte Menge Naturstrom aufgrund einer betrieblichen Störung, einer Kraftwerksanierung, witterungsbedingter Einflüsse oder regulatorischer Änderungen seitens Gesetzgeber nicht im geplanten Umfang zur Verfügung stehen oder die Nachfrage das Angebot übersteigt, so ist die EKT Energie AG bzw. Ihr lokaler Energieversorger berechtigt, Naturstrom ausserkantonal zu beschaffen.

    Zertifizierung

    Die Energiebuchhaltung von Thurgauer Naturstrom wird durch die neutrale Fachstelle Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS) jährlich überprüft und auditiert. So kann nachgewiesen werden, dass die verkaufte Menge Naturstrom innerhalb des entsprechenden Lieferzeitraums produziert und ins öffentliche Stromnetz eingespeist wurde.